Der Verein Kultursaat e.V.

Leitende Grundsätze

Unter dem Dach des gemeinnützigen Vereins Kultursaat sind seit 1994 Züchterinnen und Züchter organisiert, die sich der biologisch-dynamischen Forschung und Züchtung an Gemüse, Kräutern und Blumen zuwenden. Wir arbeiten vorwiegend auf biologisch-dynamisch bewirtschafteten Flächen an etwa 30 Standorten in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden. Wir sind ein Netzwerk von Züchtenden mit individuellen Ansätzen – in dieser Vielfalt liegt unsere Stärke. 

In den Erwerbsanbau integriert oder auf spezialisierten Zuchtbetrieben werden Züchtungsmethoden erforscht und künftige Sorten – ausgehend von traditionellen oder neueren Züchtungen – entwickelt. Wir pflegen und erhalten unsere neuen, sowie auch bewährte samenfeste Sorten. Forschung, Anbau und Selektion geschehen in einem intensiven und achtsamen Umgang mit der Pflanze. 

  • Kulturgut – Gemeingut – Gemeinnützig

    Sorten sind Kulturgut. Sie stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem ständigen Wandel des Menschen und der Gesellschaft. Wir möchten dazu beitragen, dieses Kulturgut in seiner Vielfalt zu erhalten und weiterzuentwickeln.

    Wir sehen Sorten als Gemeingut, das nicht privatisiert werden sollte. Deshalb verzichten wir ausdrücklich auf geistige Eigentumsrechte jedweder Art (Sortenschutz und Patente), sowie auf Züchtungsmethoden, die den Nachbau oder die weitere züchterische Nutzung verhindern.

    Wir betrachten biologisch-dynamische Züchtung als gemeinnützig und halten sie deshalb frei von Profitinteressen. Wir züchten für die Gesellschaft als Ganzes, und die Gesellschaft möge diese Züchtungsaktivitäten auf breiter Basis finanziell ermöglichen (z.B. durch Spenden, Zuwendungen und Förderprogramme).

  • Biologisch-dynamisch als Grundlage

    Unsere Arbeit gründet auf der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise. Wir versuchen harmonisierend und fördernd auf die Wachstumsprozesse einzuwirken und die Lebenskräfte der Pflanze zu stärken. Dazu verwenden wir beispielsweise die biologisch-dynamischen Präparate.

    Wir haben ein ganzheitliches Pflanzenbild. Die Pflanze sehen wir als lebendiges Wesen, das aktiv mit seiner Umgebung in Verbindung steht und über die rein physisch-materielle Erscheinung hinaus von Lebenskräften gestaltet und erhalten wird.

  • Hochwertige samenfeste Sorten für den ökologischen Anbau

    Wir züchten offen blühende, samenfeste, d.h. nachbaufähige Sorten und keine F1-Hybriden.

    Wir entwickeln qualitativ hochwertige, schmackhafte und bekömmliche Sorten mit gutem Ertragspotenzial. Unser Qualitätsverständnis reicht von agronomischen, technischen, sensorischen etc. Eigenschaften über die inhaltsstoffliche Zusammensetzung bis hin zur Ausgestaltung und Intensität der Lebenskräfte einer Sorte.

    Wir entwickeln neue Sorten für den vielfältigen ökologischen Anbau – vom Erwerbsanbau bis zum Anbau auf dem Balkon – und bieten so eine Alternative zu F1-Hybriden, CMS und GVO.

  • Methodisches Vorgehen

    Unsere praktische Arbeit findet „on-farm“, d.h. in biologischdynamisch bewirtschafteten Zuchtgärten statt und nicht im Labor. Biotechnologische und gentechnische Verfahren im Züchtungsprozess und zur Selektion lehnen wir ab. Deshalb kommen beispielsweise GVO und MAS nicht zum Einsatz.

    In Ergänzung zu den klassischen Züchtungsmethoden der Kreuzung und Selektion erforschen und entwickeln wir auch neue Methoden im Umgang mit den Kulturpflanzen. Dazu zählen etwa die Behandlung mit Klängen, Eurythmie, Meditation oder die Anwendung von Winterkräften.

    Um dem Ziel der möglichst hochwertigen Sorten näher zu kommen, legen wir besonderen Wert auf Geschmacksauslesen im Zuchtgang. Qualitätsuntersuchungen unter anderem mit Bildschaffenden Methoden geben den Züchtern Orientierung bei der Sortenentwicklung.

Die Ziele

  • Erhaltung bewährter samenfester Gemüsesorten

    Seit Jahrzehnten verschwinden offen blühende (samenfeste) Sorten vieler Gemüsearten aus den Katalogen der Saatgutfirmen, und Hybriden dominieren das Saatgutangebot mehr und mehr. Diese Entwicklung wirkt sich nicht nur auf den Anbau und damit auf das Angebot für die Verbraucher aus sondern auch auf die künftige Sortenentwicklung. Denn jede Neuzüchtung basiert auf einer oder mehrerer bereits vorhandener Sorten. Um die biologische Vielfalt bei Gemüse zu erhalten und auch damit gute samenfeste Sorten weiterhin für die Züchtungsarbeit verfügbar sind, betreibt Kultursaat seit einigen Jahren eine Sortensammlung, die sogenannte Erhaltungszuchtbank (EHZ-Bank).

    Jede vorhandene Sorte, bei der aus den auf ihr gedeihenden Samen neue Pflanzen hervorgehen können, die wieder dem Sortentyp entsprechen, ist "samenecht" oder "samenfest" oder "offen abblühend". Damit ist der Fortbestand der Kulturpflanzen durch alljährliche Aufbewahrung eines Teils der Ernte und Anbau im Folgejahr möglich. Würden die für diesen "Nachbau" verwendeten Samen jedoch wahllos gesammelt, ginge - insbesondere bei fremdbestäubenden Arten - die Eindeutigkeit der sortentypischen Eigenschaften verloren. Für (erhaltungszüchterisch) gepflegte Sorten muss bei der Samengewinnung besondere Sorgfalt angewandt werden: Jeder Züchter wählt deshalb bei der "Erhaltungszucht" nur besonders wohlgestaltete, gesunde und sortentypische Pflanzen für die Gewinnung von "Elitesaatgut" (= Basissaatgut) aus. Dieses Elitesaatgut sät wiederum der Saatgutvermehrer zur eigentlichen Saatgutgewinnung (Anbau zur Erzeugung von Verkaufssaatgut) aus.

    Langjährige Erhaltungszucht unter den Verhältnissen des Ökologischen und biologisch-dynamischen Landbaus ist die Basis unserer Arbeit. Auf diese Weise bleiben die Sorten im kontinuierlichen, naturgegebenen Strom von Keimen, Wachsen, Fruchten und Vergehen. Das ist eine günstige Voraussetzung dafür, dass sich die Pflanzen mit den permanent sich ändernden Lebensbedingungen auseinandersetzen und diese verinnerlichen. Samenfeste Sorten, die sich im Erwerbsanbau von Öko-Gemüse besonders bewährt haben, werden im Auftrag von Kultursaat auf ökologisch bzw. biologisch-dynamisch wirtschaftenden Betrieben in erhaltungszüchterische Pflege genommen. Auf diese Weise kann die biologische Vielfalt im Anbau erhöht werden, denn die Sorten stehen damit Klein- wie auch Erwerbsgärtnern in ökologischer Saatgut-Qualität zur Verfügung.

  • Entwicklung neuer Gemüsesorten

    Ausgehend von der Kombination Erwerbsanbau und Erhaltungszucht in einem biologisch-dynamischen Betrieb ist auch Neuzüchtung von offen abblühenden, sprich samenfesten Sorten eines der erklärten Ziele von Kultursaat. Methode der ersten Wahl ist die positive Massenauslese, die bei Selektion aus großen Beständen oft zum Erfolg führt. Mit diesem Vorgehen entstand z.B. die Möhrensorte Rodelika durch strenge Selektion auf harmonische Gestalt von Rübe und Blatt, hohe Süße sowie kräftig-nussiges Aroma. Auch spontan erscheinende "Abweicher" in einem großen und ansonsten einheitlichen Bestand können ein interessanter Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Sorten sein. Vor allem bei Selbstbestäubern wie der Tomate wird die Formenvielfalt meist zunächst durch Kombination erhöht und im weiteren Verlauf über Selektion und Einzelpflanzen-Nachkommenschaften in Richtung der gewünschten Linien fortentwickelt.

    Über die klassischen Zuchtziele Ertrag und äußerliche Einheitlichkeit hinaus (die für die Erwerbsgemüsebaupraxis und die behördliche Zulassung z.B. beim Bundessortenamt von Bedeutung sind) werden in der biodynamischen Pflanzenzüchtung in erster Linie solche Aspekte berücksichtigt, die positiv im Hinblick auf die Nahrungsqualität zu beurteilen sind. 

    Dies sind im Einzelnen:

    • samenfeste (fruchtbare, nachbaufähige, offen abblühende) Sorten,
    • Harmonie in Wachstum und Gestalt,
    • Reifefähigkeit,
    • ausgewogener, intensiver aromatischer Geschmack,
    • gutes Durchwurzelungs- und Nährstoffaneignungsvermögen,
    • robuste natürliche Widerstandskraft und hohe Anpassungsfähigkeit.

    Die Arbeit des Vereins ist im Sinne des Finanzamts gemeinnützig und unterliegt keinen Profitinteressen.

  • Veröffentlichung der Sortenentwicklung

    Biodynamische Pflanzenzüchtung findet nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, sondern kann jederzeit auf den Zuchtbetrieben besucht und praktisch erfahren werden. Nicht der unternehmerische Gewinn (verbunden mit Geheimhaltung), sondern die Entwicklung von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln ist das Leitmotiv der züchterischen Arbeit. Die Sorten sind mit bäuerlich-gärtnerischen Methoden entwickelte nachbaufähige "open-source" Sorten, deren Entwicklung nicht geheim gehalten sondern zwecks Transparenz veröffentlicht wird.

    Hier finden Sie zu jeder Neuzüchtung von Kultursaat eine Beschreibung ihres Werdeganges, die Sortenbiografie.

  • Züchtungsforschung

    Variationen innerhalb einer Formengruppe müssen nicht zwingend über Kreuzung zweier Pflanzen zustande kommen. Es gibt Hinweise darauf, dass manche über Generationen weitergegebenen Merkmalsausprägungen nicht über die DNA des Zellkerns vermittelt werden. Bei Kultursaat werden auch Projekte mit grundlegenden Fragen und Untersuchungen zu solchen Phänomenen durchgeführt. So konnten wir z. B. beobachten, dass die Beschallung von Saatgut mit Tonintervallen zu Veränderungen in Wachstum (Blattstellung, Blattformen, Blühzeitpunkt etc.) und Pflanzengesundheit bei Löwenzahn und Salat führen kann. Auch Aussaattermin, Einsatz der biologisch-dynamischen Präparate und Eurythmie (am eingeweichten Samen wie an der wachsenden Pflanze) werden in ihrem Einfluss auf das Pflanzenwachstum untersucht.

Die Satzung

Der Verein ist im Vereinsregister Friedberg unter der Kennziffer VR 21 88 eingetragen und als gemeinnützig anerkannt. Die komplette Satzung in der aktuellen Version vom November 2022 steht zum Herunterladen zur Verfügung.

 

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Die Geschichte

Entsprechend dem Leitbild des Ökologischen Landbaus, dass der Betrieb ein Organismus ist, haben sich schon in den 50er Jahren Praktiker um eigenes Gemüsesaatgut bemüht. Mit der Gründung des Initiativkreises für Gemüsesaatgut aus biologisch-dynamischem Anbau im Jahre 1985 wurden diese Aktivitäten gebündelt und die Vermehrung samenfester, sprich nachbaufähiger Sorten koordiniert. 1994 wurde von Aktiven des Initiativkreises der Verein Kultursaat gegründet, um vor allem die Entwicklung neuer Gemüsesorten voranzutreiben. Die entstehenden Sorten sollten für den vielfältigen ökologischen Erwerbsanbau geeignet sein und dort die Sorten- und Artenvielfalt wieder erhöhen. Heute sind etwa 120 Gemüsesorten als Neuzüchtungen von Kultursaat beim Bundessortenamt zugelassen (Stand: Februar 2024), für weitere 19 Sorten ist Kultursaat kostenpflichtig als offizieller Erhaltungszüchter eingetragen.
Die unter Verantwortung von Kultursaat stehenden Sorten sowie die in Anmeldung befindlichen Kandidaten sind in der Rubrik Züchtung aufgelistet.


Unter den folgenden Links können Sie mehr über Kultursaat und den Initiativkreis für Gemüsesaatgut aus biologisch-dynamischem Anbau erfahren:
Eindrücke vermittelnde Zeitschriftenbeiträge auf Deutsch, auf Englisch und auf Französisch.