Idemar
Agronomische und qualitative Eigenschaften
Mittelfrüher Rosenkohl mit leichter Rotfärbung der Blätter und mittelhohem Wuchs. Besitzt runde bis flachrunde, hellgrüne Röschen mit mild-aromatischem Geschmack. Einmalernte ist möglich; für Marktgärtner geeignet.
Ziel dieser Rosenkohlzüchtung war es, eine neue Sorte zu entwickeln, die an die Ertragsfähigkeit der bereits damals zunehmend verbreiteten F1-Hybridsorten heranreicht und eine Alternative für den Erwerbsanbau bieten kann. Zudem war es das Ziel, eine Sorte mit zylindrischem, nicht pyramidalem Aufbau des Besatzes zu züchten, die sich damit prinzipiell auch für eine Einmalbeerntung eignen würde. Da die Züchtung an den Hybridsorten bei Rosenkohl, die speziell für die Maschinenbeerntung geeignet sind, inzwischen weit vorangeschritten ist, muss die Sorte IDEMAR klar dem Marktgärtner- und Hausgärtnerbereich zugeordnet werden. Dort ist sie in Beerntbarkeit und Ertrag den noch im Saatguthandel verfügbaren samenfesten Sorten deutlich überlegen.
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Züchtungsgang
Insgesamt erstreckte sich die Züchtungsarbeit, die zur Sorte IDEMAR führte, vom ersten Nachbau der Sorte HILDS IDEAL 1981 bis zur Sortenzulassung 2011 über einen Zeitraum von 30 Jahren. Die Züchtungsarbeit wurde von Dr. Hartmut Spieß begonnen. Ab 1998 war C. Matthes an der Selektionsarbeit beteiligt bis er die Züchtung an IDEMAR im Jahr 2004 übernahm. Der Anbau erfolgte durchgängig auf den biologisch-dynamisch zertifizierten Flächen des Dottenfelderhofes (Landwirtschaftsgemeinschaft Dottenfelderhof KG). Die biologisch-dynamischen Spritzpräparate Hornmist und Hornkiesel wurden von der Aussaat bis zur Samenernte konsequent und mehrfach angewendet. Gedüngt wurde ausschließlich mit betriebseigenem, mit den biologisch-dynamischen Düngerpräparaten behandelten Rindermistkompost.
Die Sorte IDEMAR ist durch Einkreuzung der Sorte STIEKEMA in die Sorte HILDS IDEAL und anschließende Selektion über acht Generationen entstanden. Es wurde mit der positiven Massenauslese sowie mit Einzelpflanzen-Nachkommenschaften gearbeitet.
HILDS IDEAL war durch Dr. habil. H. Spieß bereits seit 1981 über fünf Generationen unter biologisch-dynamischen Bedingungen nachgebaut worden. Die Bestäuber-Pflanze der Sorte STIEKEMA stammte ebenfalls aus biologisch-dynamischem Anbau des Dottenfelderhofes, die Herkunft des verwendeten, ungebeizten Saatgutes war jedoch konventionell.
In den ersten Generationen zeigten die Pflanzen eine auffallend kräftige Wüchsigkeit und wesentlich größere Röschen als die Elternsorten. Offensichtlich handelte es sich um einen „Heterosiseffekt“, der im Laufe der folgenden Generationen weitgehend verschwand. Bereits in den ersten beiden Generationen nach der Kreuzung traten teils stark Anthocyan-gefärbte („rote“), teils, für den Augenschein Anthocyanfreie („weiße“) Typen auf. Zunächst erschienen die rot gefärbten Typen ertragreicher zu sein, daher wurde diese Linie für die weitere Züchtung bevorzugt. In der sechsten Generation wurde dann erneut zwischen einer stark rot gefärbten und einer nicht bzw. schwach rot gefärbten Selektion ausgewählt. Diesmal war der stark Anthocyan-gefärbte Zuchtstamm deutlich ertragsschwächer, daher fiel die Wahl auf den nicht bzw. nur schwach rot gefärbten Zuchtstamm. Im weiteren Nachbau zeigte sich bei der Mehrzahl der Pflanzen eine schwache bis mittelstarke Rotfärbung, bei der Selektion wurde und wird darauf geachtet, extrem anthocyanfarbene und ungefärbte Pflanzen nicht auszuwählen.
In der vierten Generation (1998) wurden erstmals zehn Nachkommenschaften ausgewählter Einzelpflanzen nachgebaut. Daraus wurden in unterschiedlichen Gruppierungen Zuchtstämme gebildet und über mehrere Generationen weitergeführt. Aus einer dieser Nachkommenschaften, Nr. 6 (Typ STIEKEMA) wurde schließlich der Zuchtstamm entwickelt, der zur Sortenanmeldung ausgewählt wurde. Der Weg führte über zwei weitere Einzelpflanzen-Nachkommenschaftsprüfungen in der sechsten und siebten Generation, aus denen jeweils eine geeignete Nachkommenschaft ausgewählt und nachgebaut wurde. Auf diese Weise wurde dreimal im Züchtungsgang eine Einzelpflanze zur Grundlage der weiteren Züchtung gemacht. Diese Einzelpflanzen wurden jedoch nicht isoliert, sondern blühten zusammen mit weiteren Elitepflanzen ab, um eine Inzucht zu vermeiden. Dieses für die Züchtung einer fremdbestäubenden Populationssorte eher ungewöhnliche Vorgehen wurde gewählt, um möglichst rasch die für eine Sortenzulassung erforderliche Homogenität zu erreichen. Besonderes Augenmerk in der Züchtungsarbeit galt der Erhaltung des mild-aromatische Geschmackes. Deshalb wurden die Zuchtstämme immer wieder vergleichenden Geschmackstests mit anderen Sorten unterzogen.
Chronologie der Züchtung im Überblick:
Seit 1981: Nachbau der Sorte HILDS IDEAL durch Dr. habil. H. Spieß, über fünf Generationen.
1991: Einkreuzung der Sorte STIEKEMA aus dem Anbau des Dottenfelderhofes (Saatgutherkunft konventionell, ungebeizt)
1992: 1. Generation nach der Kreuzung
Selektion von Pflanzen mit („rot“) und ohne Anthocyanfärbung („weiß“), die jedoch zusammen abblühen.
1994: 2. Generation
Getrennter Nachbau der „weißen“ („SJI91w“) und der „roten“ Selektion ( „SJI91r“).1996: 3. Generation
Erneuter Nachbau, Entscheidung für den Typ mit Anthocyanfärbung ( „SJI91r“).
1998: 4. Generation
Nachbau von 10 Einzelpflanzen-Nachkommenschaften des Typs ( „SJI91r“), darunter Nachkommenschaft 6 („Typ Stiekema“) aus der sich die spätere Sorte entwickelte. Diese blühte isoliert ab (6 Pflanzen) und wurde getrennt weitergeführt.
2000: 5. Generation
Selektion von zwei Gruppen aus der Linie 6: deutlich Anthocyangefärbte (GD) und kaum Anthocyangefärbte mit „rübenähnlichen“ Blättern (HG), beide Gruppen blühen getrennt ab. Getrennte Samenernte von Super-Elitepflanzen.2002: 6. Generation
Nachbau von Einzelpflanzen-Nachkommenschaften der Gruppen HG und GD, Entscheidung für Gruppe „HG“. Favorit ist die Nachkommenschaft 6 HG-c2004: 7. Generation
Erneuter Nachbau von drei Einzelpflanzen-Nachkommenschaften der Linie HG, Entscheidung für die Nachkommenschaft 6 HG-c-a
2006: 8. Generation
Saatgutgewinnung aus der 8. Generation (2007)2008: Prüfung im Nachbau
2009: Anmeldung des Zuchtstammen „Idema 6-HG-c-a“ zur Registerprüfung
Die Sorte wurde im Jahr 2011 nach zweijährigem Registerprüfanbau in Edinburgh vom Bundessortenamt zugelassen. Die Erhaltungszucht findet durch den Züchter C. Matthes auf dem Dottenfelderhof statt. Die Organisation der Vermehrung und der Vertrieb des Verkaufssaatgutes obliegen u. a. der Bingenheimer Saatgut AG.
Rechtlicher Status: Nach Registerprüfung seit Januar 2011 durch das Bundessortenamt zugelassen.
Saatgutanbieter:Bingenheimer Saatgut
Züchter: Christoph Matthes
Sortenbiografie